Lüdenscheid – Star-Organist Felix Hell wird am Sonntag, 7. August, ab 18 Uhr wieder in der Christuskirche an der Walcker-Orgel zu hören sein. Im Mittelpunkt steht dabei seine Interpretation von Bachs Goldberg-Variationen, die Felix Hell mit einigen einleitenden Worten auch seinem Publikum näherbringen möchte. Zwar sei Johann Sebastian Bach einer der am meisten recherchierten Komponisten der Welt, aber über den Menschen Bach könne am besten sein Meisterwerk, die Goldberg-Variationen, Auskunft geben. LN-Mitar-
beiter Björn Othlinghaus hat mit dem Künstler über das epochale Werk, gesprochen.
Sie spielen die Goldberg-Variationen zum ersten Mal in Lüdenscheid. Was ist für Sie das Besondere an diesem Werk?
Felix Hell: Die Goldberg-Variationen sind eines der größten und bedeutsamsten Werke der gesamten klassischen Musik. Aus musikalischer Sicht ist es für die Zuhörerinnen und Zuhörer ein mitreißendes Werk, aber kompositorisch ist es eine absolut unfassbare Leistung, die Johann Sebastian Bach mit diesem Werk an den Tag gelegt hat. Die Goldberg-Variationen bewegen sich künstlerisch auf der gleichen Ebene wie die Mona Lisa, wie Beethovens Neunte oder wie die Sixtinische Kapelle. Als Organist hat man dabei im Gegen-
satz zur originalen Cembalo-Fassung oder zur Klavierfassung die Gelegenheit, mit Registerfarben und mehreren Manualen sowie mit der Benutzung der Pedalen dem Publikum noch mal eine neue Dimension des Werkes mit einem noch ungewöhnlicheren Facettenreichtum zu präsentieren, wie es auf keinem anderen Solo-Instrument möglich wäre.
Warum werden die Goldberg-Variationen eher selten gespielt?
Felix Hell: Zum einen ist es ein sehr ausladendes Werk. Wenn man die Goldberg-Variationen von Anfang bis Ende mit allen Wiederholungen spielt, nehmen sie etwa 90 Minuten ohne Pause in Anspruch. In Lüden-
scheid werde ich sie in der ersten Hälfte des Konzertes spielen und dabei auf die Wiederholungen verzichten, sodass sie nur noch 45 Minuten lang sind. Ein weiterer Punkt, warum das Werk so wenig gespielt wird, ist seine technische Schwierigkeit. Es stellt eine sehr große Herausforderung für den Interpreten dar, das Werk so zu präsentieren, dass es das Publikum mitnimmt und mitreißt, denn es ist eine „Tour de Force“ für Musiker und Publikum gleichermaßen. Wenn man sich dieser Musik allerdings hingibt, verschafft einem das Werk ein Erlebnis, was man normalerweise in Konzerten nicht geboten bekommt, denn man erlebt eine Art Lebenszyklus. Es fängt mit der Arie an, gefolgt von einer epischen Reise in Form von 30 Variationen und endet schließlich mit der gleichen Arie, mit der es angefangen hat. Die Variationen bilden einen wunderbaren Kreis und sind so schlüssig, wie man es nirgends sonst der klassischen Musik auf diese Art wiederfindet.
Aber leidet denn das Werk nicht darunter, wenn man auf die Wiederholungen verzichtet?
Felix Hell: Das denke ich nicht, denn es wird dadurch zu einem anderen Werk. Ich war zunächst tatsächlich auch der Meinung, dass ihm die fehlenden Wiederholungen schaden, aber speziell für Lüdenscheid probiere ich es jetzt das erste Mal in dieser Form. Ich habe mir seit längerer Zeit darüber Gedanken gemacht, ob man es ohne Wiederholungen spielen kann und mir auch viele entsprechende Konzerte angehört. Ich bin dabei zu der Überzeugung gelangt, dass es gut funktionieren kann.
Was hört das Lüdenscheider Publikum n der zweiten Konzerthälfte?
Felix Hell: Die zweite Hälfte wird ein Tribut an Bach sein und besteht ausschließlich aus Musik, die extra für die Orgel geschrieben wurde. Sie beginnt mit der großen Fantasie und Fuge in g-Moll von Bach, gefolgt von einem kurzen Orgel-Choralvorspiel mit dem Titel „Wenn wir in höchsten Nöten sein“, dann endet das Konzert mit dem „Präludium und Fuge über den Namen B.A.C.H.“ von Franz Liszt.
Wo würden sie die Orgel in der Christuskirche im weltweiten Vergleich ansiedeln?
Felix Hell: Es ist schwierig, eine Rangliste zu erstellen, aber sie ist aus mehreren Gründen eines meiner Lieblingsinstrumente. Zum einen habe ich natürlich eine persönliche familiäre Beziehung zu dieser Orgel und Lüdenscheid. Zum zweiten habe ich schon seit so vielen Jahren vor und nach der Restauration auf diesem Instrument gespielt und fühle mich mit ihm verbunden. Ich habe eine echte Beziehung zu dieser Orgel aufgebaut und erlebt, wie sie sich über die Jahre entwickelt hat. Drittens ist die Walcker-Orgel eines der wenigen Instrumente aus der Zeit der deutschen Orgelromantik, die deren Klang authentisch wiedergibt.
Der Klang der Orgel wurde ja in den 70er Jahren verändert, aber in den späten 2000er- Jahren erneut mit dem originalen deutsch-romantischen Klangbild versehen. Instrumente in diesem Zustand, die zudem so wunderbar restauriert wurden, gibt es weltweit nur sehr wenige. Deshalb bin ich der Meinung, dass die Orgel der Lüdenscheider Christuskirche einen ganz besonderen Stellenwert nicht nur für mich persönlich, sondern unter allen Orgeln weltweit hat.