Wort zum Sonntag
von Sebastian Schultz
05.02.2022
Mitten in der Pestzeit schreibt Martin Luther an seinen Freund Johannes Heß in Breslau einen Brief, der aktueller kaum sein kann. Luther erklärt, wie man mit der tödlichen Seuche, die das Land fest im Würge-
griff hat, umgehen sollte: „Nicht so, meine lieben Freunde, das ist nicht fein getan. Sondern brauche die Arznei, nimm zu dir, was dir helfen kann, räuchere Haus, Hof und Gasse, meide auch Personen und Stät-
ten, da dein Nächster dein nicht bedarf oder genesen ist, und stelle dich als einer, der ein allgemeines
Feuer gern dämpfen helfen wollte. Denn was ist die Pestilenz anders als ein Feuer, das nicht Holz und
Stroh, sondern Leib und Leben auffrisst? Und denke so: Wohlan, der Feind hat uns durch Gottes Verhäng-
nis Gift und tödliche Krankheit herein geschickt, so will ich zu Gott bitten, dass er uns gnädig sei und weh-
re. Danach will ich auch räuchern, die Luft reinigen helfen, Arznei geben und nehmen. Orte und Personen meiden, da man meiner nicht bedarf, auf dass ich mich selbst nicht anstecke und dazu durch mich viel-
leicht viele andere vergiften und anstecken und ihnen so durch meine Nachlässigkeit Ursache des Todes sein möchte. Will mich indes mein Gott haben, so wird er mich wohl finden, so habe ich doch getan, was
er mir zu tun gegeben hat, und bin weder an meinem eigenen noch an anderer Menschen Tode schuldig. Wo aber mein Nächster mein bedarf, will ich weder Orte noch Personen meiden, sondern frei zu ihm ge-
hen und helfen, wie oben gesagt ist. Siehe, das ist ein rechter, gottesfürchtiger Glaube, der nicht dumm-
kühn noch frech ist und auch Gott nicht versucht.“ (WA 23, 338–372, „Ob man vor dem Sterben fliehen möge“ 1527).
Nicht alles mag gut sein, was Luther geschrieben hat, aber diese Gedanken sind auch ein halbes Jahr-
tausend danach noch nachdenkens- und beherzigenswert, wie ich finde.
Sebastian Schultz, Pfarrer der Evangelischen Christu-Kirchengemeinde